Schade um die Zeit

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Schade um die Zeit

Januar 1, 2021 leadership 0
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Foto: Jiyeon Park

“Ich bin ein Opfer des modernen Todes der Aufmerksamkeitsspanne, und habe das Gefühl, ein Buch nie vollständig gelesen zu haben.”

Katharina Volkmer (Schriftstellerin)

Es kommt zwar selten vor, aber es kommt vor, dass Studierende sich unschlüssig im Bezug auf Ihren Wissensstand sind. Das ist jedoch bei der Vielfalt der Fächer auch kein Wunder, denn auch in meinem Studium sind die Bereiche auch sehr breitgefächert gewesen, was ich jedoch als eine Chance gesehen habe meine Vorlieben zu erweitern. Die Frage, die wohl allen Teilnehmern im Kopf saust ist folgende: „Wozu brauche ich die ganzen Fächer für meine Zukunft? Wo setze ich sie ein?”

Das Jahr 2020 ist zu Ende, was im Grunde für die meisten Menschen auf der Welt ein stufenloser Übergang von dem einem auf den anderen Tag war. Vom Staat wurden uns Verhaltensverbote auferlegt, die wir zwar so nicht kannten aber eine gewisse Sinnhaftigkeit verfolgten. Unabhängig von quer denkenden Menschenmassen, die fähig sind mehr in die Breite als die Tiefe zu denken, erlebten wir Allsamt ein Jahr der Verdrängung. Während wir im Frühjahr 2020 noch über die morbiden Zahlen der Toten in Italien absolut entrüstet waren und Mitleid hatten, scheint die momentane Tatsache in unserem Land den einen oder anderen absolut irrelevant zu werden. Ich habe noch nie so eine gespaltenen Zuspruch über eine Impfung mitbekommen wie in den letzten Wochen. Die Meinungen gehen weit auseinander von: “Ich hatte Covid schon, und es war nicht so schlimm.”, “Ich lasse mich auch nicht gegen die Grippe impfen, also mache ich das bei Covid nicht.”, “Nur die älteren sterben dran, ich bin zu jung.” oder auch ambivalent dazu: “Sobald es möglich ist, möchte ich die Impfung haben.”, “Ich lasse mich impfen, damit ich mich und meine Mitmenschen schütze.”, “Ich möchte wieder ein normales Leben führen, deswegen werde ich mich impfen!”. Die Notwendigkeit, und vor allem die Wichtigkeit der Impfung gehen weit auseinander. Doch die Angst vor den Nebenwirkungen oder gar ernsthaften Erkrankungen, die nach der Impfung stattfinden können, sind natürlich nicht zu verdrängen. Es gibt sie aber immer, die Nebenwirkungen. Sogar bei einer Aspirin gibt es Nebenwirkungen, vor allem wenn die Verträglichkeit nicht gegeben ist. Ich kann mich noch daran erinnern als Penicillin noch einen sehr hohen Zuspruch seitens der Bevölkerung hatte, und zwar solange bis die Folgeschäden bekannt wurden. Bei Covid sind die Folgeschäden weitreichender oder vielleicht auch nicht, zumindest sterben täglich im Durchschnitt 500 Menschen daran. Die Skeptiker können jetzt die Gegenargumentation ansetzen und die Zahlen revidieren, da die meisten nicht belegt sind, dass alle an den Folgen von Covid gestorben sind. Mal im Ernst. Wer von den “Querdenkern” liest schon selbst unzählige Studien oder wertet gar irgendwelche Daten selbst aus oder lassen sich etwa gewisse Mitmenschen auf einen Run der Revolution ein, weil sie selbst von den Folgen der “Entrüstung” betroffen sind. Eine Entscheidung betrifft 84 Mio. Menschen. Wie war das nochmal mit der Annahme Ihrer Entscheidungen im Privat- und Arbeitsleben? Wie war das Jahr für Sie? Was haben Sie am meisten verdrängt? Wovor hatten Sie am meisten Angst? Was hat sie am meisten geärgert? Wie viele Menschen haben Sie mit einem guten Gefühl umarmt?

Selten hat eine Entscheidung so sehr die Menschen in sich, aber auch sich gegenüber gespalten. Wir waren schockiert, entsetzt, ängstlich, unbeholfen, paralysiert, euphorisch, distanziert, sehnsüchtig, voller Hoffnung und voller Zweifel. Wir haben gehofft, gelitten, verzichtet, abgelehnt, gemieden, genossen und sich mit vielen Veränderungen abgefunden. Aber eins haben wir gemeinsam, und zwar, dass jeder von Ihnen, die das lesen können bis jetzt überlebt hat. Erfreuen wir uns über den Eintritt in das Jahr 2021, das mit vielen Veränderungen aber auch mit viel Hoffnung verbunden ist. Wir sind gewappnet für das was kommt und sind neugierig darüber, was daraus wird. Und wovor fürchtet sich der Mensch am meisten?

Das Unbekannte macht wohl dem Menschen am meisten Angst, obwohl das kalkulierbare Unbekannte dem Menschen neugierig aufs Abendteuer macht. Nun schliesst sich der Kreis, denn bei unbekannten Fächern in einem Studium ist das nicht anders. Alles was uns bekannt aber durch neue Inhalte erweitert wird, macht uns weniger Angst, aber dafür neugierig und gibt uns Hoffnung etwas interessantes zu lernen, denn im Grunde geht es um nichts anderes als das Unbekannte zu erforschen und sich in unmittelbarem und wichtigem Umfeld nicht als Unwissend zu entpuppen. Über die Frage nach dem Wissensdurst lässt sich wohlmöglich streiten, denn es gibt für jedermann Tage, an denen man nicht unbedingt die Lust verspürt zu büffeln. Erfolgreiche Menschen nutzen an diesen Tagen eine Routine, die sie ständig verfolgen und den selbstgerechten “Vorschriften” nicht abweichen. Es geht dabei um nichts anderes als eine operative Konditionierung, in die wir uns selbst begeben. Im Klartext: wir belohnen uns selbst, wenn wir etwas geschafft haben, wir bestrafen uns selbst, wenn wir etwas versaut haben. Es ist nicht schlimm zu scheitern, es ist sogar, solange es uns nicht umbringt, ziemlich abenteuerlich. Haben wir jedoch alles dafür getan um etwas zu schaffen, ist die Enttäuschung gross. Dabei sollten wir den Weg begutachten, den man gegangen ist, um eine Möglichkeit der Nachjustage zu habe. Ist das Ziel erreichbar? Habe ich mich wirklich richtig auf die Prüfung vorbereitet? Habe ich alle Gebote und Verbote verfolgt um nicht krank zu werden? Schade um die Zeit, in der wir uns Gedanken machen was wir nicht erreicht oder gar verloren haben, denn die Möglichkeit zu verstehen, was wir aus einer Sache gewonnen oder gar gelernt haben, macht wesentlich mehr Sinn. In diesem Sinne…

…wünsche ich Ihnen und Ihren Liebsten ein gesundes, sonniges, spektakuläres, erfolgreiches und glückliches Jahr 2021. Eins kann ich Ihnen im Vorfeld sagen: “Es wird anders.”

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